windgirls-trip

 
Erfahrungen auf der Suche nach der Einsamkeit
der Wüste und der Unendlichkeit des Meeres.

 
Text: Uli Hölzl

Fotos: Uli Hölzl, Pieter Delalleeuw

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Ende April: Eine lange Snowboardsaison geht zu Ende. Der Schnee, der uns die ganze Saison abging, fiel nun auf einmal und bedeckte blühende Kirschbäume. Wahrscheinlich wären es nun die besten Snowboardbedingungen des ganzen Winters…

Aber der Ruf des Ozeans wird immer lauter. Ich muß weg! Es war Zeit, den Kopf von Alltag und Wettkampfstreß freizubekommen. Wellen nur für mich – fernab jeder Zivilisation – mich selbst wiederfinden…

Wir hatten da von unglaublichen Revieren in Mexiko gehört, die zu den Besten der Welt gehören sollten. Mit Wellen für unzählige Turns, mitten in der Einsamkeit der Wüste…

Es war Zeit für unseren zweimonatigen Trip in die Baja California!

Die "BAJA" ist eine zu Mexiko gehörende Halbinsel, die sich 1400 km von der kalifornischen Grenze nach Süden erstreckt. Eine gelungene Mischung aus Wüsten-Einöde im Norden, teils üppiger Vegetation im Süden und perfektem Surf. Früher Heimat vieler Indiostämme und seit der Ankunft der spanischen Eroberer im Jahr 1530 ein Land der Extreme und Zufluchtsort für Flüchtlinge vom Mainland Mexiko. Mit ihrer beeindruckenden kargen Wüstenlandschaft und den menschenleeren Stränden stellt sie seit langem ein Traumziel für Wassersportler und Abenteurer dar. Aber nicht vergessen: BAJA ist Mexiko!

Ausgangspunkt Los Angeles             Top of the Page

Los Angeles: Bevor wir unsere Bretter auspacken und den Wind in den Händen halten, müssen wir hier noch wichtige Reisevorbereitungen treffen. Schließlich haben wir vor, längere Zeit in der absoluten Einöde zu (über)leben! Das heißt: Windsurfequipment vorerst in ein Storage am Flughafen geben, Leihauto mieten, und uns auf die Suche nach einem geeigneten Gefährt machen, welches uns sicher zu allen entlegenen Surfspots bringen soll. Zusätzlich plündern wir "FOOD FOR LESS", bunkern 200 Liter Trinkwasser (reicht für drei Personen für zwei Wochen), besorgen Campingausrüstung, Zelt, Kocher, Gas, Wagenheber, Öl, Ersatzbenzinkanister, Tape, Harpune, Angel,…

Das Wichtigste: Nach vier Tagen Streß und Stau in L.A., können wir einen 350 GMC Van ($2350.-) unser Eigentum nennen.

Jenseits der Zivilisation

Staub und Sand überall. Dringt durch alle Ritzen unseres Autos. Staub in meinen Haaren. In meiner Nase, auf unserem Armaturenbrett. Das Tachometer ist nicht mehr sichtbar. Egal. Es besteht keine Gefahr zu schnell zu fahren. (Obwohl ich am Steuer sitze und mich die Burschen immer für meine wilde Fahrweise rügen!) Seit drei Stunden holpern wir mit 20 km/h über alle Schlaglöcher der "Dirtroad" auf dem Weg nach San Carlos. Mit dem Verlassen des Mexican Highways 1 haben wir auch das letzte Fleckchen Zivilisation hinter uns gelassen. Der letzte Ort war El Rosario mit einem Supermarkt, zwei Tacoständen, einer Bushaltestelle und einem öffentlichen Telephon – und sechs "Häusern". Die letzte Gelegenheit, sich mit Süßwasser und Lebensmitteln einzudecken.

Bis jetzt war mir nie so richtig bewußt geworden, wie groß unser Planet wirklich ist. Einfach nichts, nichts soweit das Auge reicht. Nur endlose Weite, karge Wüste, 15 Meter hohe Kakteen, Sand, Sträucher, keine Menschenseele. In der Ferne erstrahlt im goldenen Abendlicht eine Gebirgskette. Es liegt schon Salz- und Meeresgeruch in der Luft! In unserer Vorfreude stoßen wir mit dem ersten und zugleich letzten kalten Bier an. Weiter geht's…

Eine halbe Stunde später werden wir für unsere Strapazen belohnt. Vor uns liegt der gewaltige pazifische Ozean mit all seiner Größe. Blick bis zum Horizont. Die Wellen, die mit ungebrochener Kraft ans Ufer brechen, zaubern ein Lächeln auf unsere Gesichter. Es giebt nur Eins:

AL AQUA!             Top of the Page

Die Windsurfbedingungen sind perfekt zum Einfahren: Sideoffshorewind für's 4.5er Segel und zwei Meter hohe Wellen, die perfekt an einem Point brechen und zu vier bis fünf Bottom Turns und Cut Backs einladen.

Schnell entdecken wir einen geeigneten Einstieg in die Brandung. Ich fühle mich noch etwas unsicher, immerhin kenne ich mein Material noch nicht. Aber das Meer und die Wellen nehmen mich auf. Die Zweifel verschwinden. Hier war es wieder: Dieses unbeschreibliche Gefühl des schwerelosen Dahingleitens, des "Frei Seins". Alleine der untergehenden Sonne entgegenzusurfen, eine Welle zu nehmen und diese abzureiten.

Ich sehe am Horizont eine leichte Erhöhung aus der perfekten Richtung auf mich zukommen. – Wende! Warten auf das Set. Ich spüre, wie mich der Wellenberg aufhebt. Von weit draußen gleite ich mit der Welle Richtung Ufer. Sie wird immer steiler, stellt sich auf. Noch etwas warten, am Wellenkamm bleiben. 100 Meter rechts von mir die "Schulter der Welle. Unglaublich! Beschleunigung! Die Kraft schiebt mich immer mehr an.

"Vamos!" Ich leite einen weiten Bottom Turn ein. Die brechende Lippe immer im Visier! Das Segel wird nun nutzlos in meinen Händen. Nur mehr surfen mit dem Board! Ich versuche, möglichst steil auf die brechende Lippe zuzufahren. Noch höher, direkter! PUFF! AERIAL! Die Welle schleudert mich mit ihrer ganzen Kraft in die Luft. Ich halte meinen Atem an und lande im Weißwasser! Mein Verstand schaltet sich aus. Nur noch Gefühl! Ich werde Eins mit der Welle!

Regenbogen in der sprühenden Gischt…

Unsere Session wird durch die hereinbrechende Dunkelheit beendet. Mit strahlenden Augen kommen wir ans Ufer. Es tut so gut, wieder im Wasser gewesen zu sein, das Salz auf den Lippen zu spüren.

Punta San Carlos

San Carlos liegt 400 km südlich der kalifornisch-mexikanischen Grenze. Ein Ort fernab jeglicher Zivilisation und sanitärer Einrichtungen. Kein Süßwasser, keine Toiletten, kein Telephon. Nichts! Man muß also selbst ausreichend vorgesorgt haben.

Über der kargen Wüstenlandschaft wacht ein Hochplateau (800 Höhenmeter), welches bis vor 200 Jahren – bevor die Missionare alle Krankheiten einschleppten – noch von Indios bewohnt wurde. Nur noch sechs andere Campingwägen thronen über den Klippen des Meeres. Ihre Besitzer auch getrieben von der selben Leidenschaft und der Suche nach Wellen und Wind.

Ungefähr 15 Mexikaner haben hier ein Fishcamp aufgebaut, wo sie in selbstgebauten Holz- und Blechhütten unter ärmlichsten Verhältnissen glücklich leben. Nach etwa zehn Tagen Arbeit (abhängig von ihrer Ausbeute beim Fischfang) kehren auch sie diesem unwirtlichen Ort den Rücken, und gehen wieder zu ihren Familien zurück.

Da wir alle gut Spanisch sprechen, werden die Fischer schnell zu unseren Freunden. Sie tauschen oft Rossignol-Mützen, Powerbar-Riegel oder ein Bier gegen eine Drei-Kilogramm-Languste, eine Seezunge oder Haifischfilets ein. Kein schlechter Deal! Meistens lassen wir die wunderschönen Abende mit ihnen am Lagerfeuer ausklingen.

Trotz all dieser "unluxuriösen" Umstände – oder gerade deswegen – kommen Jahr für Jahr Surfer aus der ganzen Welt hierher, um die unberührte Natur zu genießen und bei fast hundertprozentiger Windsicherheit in einen der besten Wellen der Welt ihren Spaß zu haben.

Auf unserer Fahrt begegnen wir nicht nur einmal den gefürchteten "Federales", jener mexikanischen Polizei, die vor allem versucht, den Drogenschmuggel zu unterbinden. "Where are you going? Open the backdoor! What's in there? Get out of the car!"
Da sie in ihrem gebrochenen Englisch kaum zu verstehen sind, fordern wir sie auf: "Puedes hablar espagnol!
Os comprendemos!"

Sobald die Polizisten erkennen, daß wir auch Spanisch sprechen , werden sie sofort freundlicher. Nach zehnminütiger Unterhaltung über unsere Herkunft, unser Reiseziel und ihre Arbeit beginnen sie schon mit den ersten Scherzen. Wir schenken den armen Burschen, die seit Stunden in der Wüste ihren Dienst tun, noch ein paar kalte Coronas und machen uns (ohne genaue Kontrolle!) wieder auf den Weg. Wer verbreitet nur immer diese angstmachenden Gerüchte?

Neue Einsichten             Top of the Page

Es fällt mir schwer, alles loszulassen. Einfach nur "zu sein"! Keine Ablenkungen mehr. Je mehr sich das Leben auf das Wesentliche reduziert, umso mehr ist man sich selbst ausgeliefert. Muß sich über sich selbst klarwerden. Manche würden es hier nicht lange aushalten, andere werden glücklich. Ich gehöre zu Letzteren. Wir leben immer mehr im Einklang mit der Natur, den Elementen. Richten unser Leben nach Sonnenauf- und Untergang ein, nach den Mondphasen, die Ebbe und Flut bestimmen und den nächsten Swell bringen können.

Die Gesellschaft vieler Tiere gehört zu unserem Alltag. Angefangen bei den Robben, deren Grunzen uns beim Surfen begleitet, Haien, welche wir zweimal an der Angel haben, Pelikanen, Krebsen, Langusten, und Möwen, die elegant die Wellenkämme entlangsurfen.

Bis hin zu Coyoten, die in der Nacht über unseren Müll herfallen und Klapperschlangen, die sich in die Wärme unter unsere Boardbags zurückziehen. (Jetzt kontrollieren wir vor dem Schlafengehen immer unsere Schlafsäcke und unser Zelt!) Zu den schönsten Erlebnissen gehört es, wenn Delphine beim Wellenreiten unter mir im Line-up durchschwimmen und mit der Welle mitsurfen oder wenn Wale 100 Meter von uns entfernt ihre Bahn ziehen.

Das Zelt ist unser Schlafzimmer, das Meer unsere Dusche und der Van unser Wohnzimmer und Windschutz. Wir besitzen nicht viel. Aber mit den Sternen über uns, dem Meer, der Wüste und der Sonne in unserem Herzen sind wir unbeschreiblich reich! Man braucht so wenig, um glücklich zu sein! Es ist unglaublich, wie empfänglich die Sinne wieder für die einfachen Schönheiten der Natur werden, wenn man erst einmal den Kopf von allen Alltagssorgen frei hat! 

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"Schauerlich ist die Einsamkeit des Meeres. Aufruhr wie tiefes Schweigen birgt sie. Nichts verbindet sie mit dem Menschengeschlecht, alles in ihr geschieht für unser Denken sinnlos."


An diese Worte von Victor Hugo werde ich erinnert, als ich mich frage, warum man hier stundenlang auf das Meer starren kann, ohne einen Gedanken, gefesselt von der Einsamkeit des Meeres und der Küste.

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Allgemeine Reiseinformation:
Auto:
Es ist nicht möglich, von Amerika mit einem Mietauto nach Mexiko einzureisen. Daher ist man fast gezwungen, ein Auto zu kaufen, wenn man das Land auf eigene Faust erkunden will. Am besten geeignet ist ein Bus oder Van, der in den kalten Nächten Unterschlupf bietet. Laßt das Auto vor dem endgültigen Kauf nochmals in einer Werkstatt durchchecken. Es ist wichtig, daß ein Zertifikat einer Smogüberprüfung vorhanden ist, welches man unbedingt zum Wiederverkauf braucht.
 
Straßenkarte:
Die ausführlichsten Karten erhält man im amerikanischen Automobilklub "AAA"
 
Grenzübertritt: 
Wichtig: Vergeßt nicht, eine mexikanische Autoversicherung abzuschließen.
Am besten in San Ysidro (amerikanische Grenzstadt). $145.- für sieben Wochen.
Direkt bei der Grenze ist es ratsam, sich eine Touristenkarte ausstellen zu lassen, die man oft bei der Rückreise in die USA vorzeigen muß.
 
Klima: 
angenehmes Wüstenklima: warme Tage und kühle Nächte
Abends verträgt man leicht eine lange Hose und einen Pullover. Bei Wind sogar eine Jacke!
Reisezeit: ganzjährig
 
Surfen: 
beste Windzeit: März bis Mai; November
beste Swells: Nordswells: Dezember bis Februar
Südswells (sind besser!): Juni bis September
 
Material: 
eigenes Equipment notwendig
Segel: von 3.5m2 bis 5.5m2
Brett: große und kleine Waveboards
 
Spots:
Punta San Carlos, Punta Abreojos, Punta Canoas und viele noch unentdeckte Plätze
 
Sonstiges:
Zelt, Matte, Schlafsack, Kocher, Gas, ausreichend Trinkwasser, und Ersatz-Benzinkanister nicht vergessen!

 

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