windgirls-interview: Karin Jaggi

PWA-Weltmeisterin Karin Jaggi spricht über ihren Kampf gegen Machos, das Leben mit Groupies und die Zukunft des Frauen-Surfens. 
Ein Exklusiv-Interview von Andy Aichinger.

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? Karin, Du bist in der letzten Saison zum ersten Mal Overall-Weltmeisterin geworden. Wie fühlst Du Dich bei diesem Gedanken?

! Ich habe mein Ziel erreicht! Als ich auszog, die Windsurfwelt zu erobern, mußte ich harte Kritik einstecken, das macht heute den Erfolg noch wertvoller. Als Windsurfer stehe ich aber erst am Anfang meiner Träume und es gibt für mich noch viel zu tun und zu erreichen.
 

? Die neue Disziplin Freestyle ist spätestens seit der Worldcup-Premiere am Neusiedler See in aller Munde. Was hältst Du davon?

! Freestyle ist eigentlich eine uralte Disziplin. Sie ist durch die Konkurrenz aus anderen Sportarten wiederentdeckt worden. Der Sport mußte eben wieder einfacher werden. Wenig Material, eine einfache, zuschauerfreundliche Wettkampfform und Spaß bei allen Bedingungen (Wind und Wellen) haben Windsurfen wieder breitensportfähig gemacht. Back to the roots - sicher die richtige Entscheidung.
 

? Warum könnt Ihr bei den Freestyle-Contests nicht mitmachen?

! Girls sind nicht so leistungsbezogen. Sie suchen mehr den Spaß als die Anerkennung ihrer Erfolge von außen. Das ist sicher ein Grund (neben dem konstanten Geldmangel) warum wir nicht so zahlreich im WC vertreten sind. Für unsere Jungs wiederum ist das die Rechtfertigung uns von dieser Disziplin auszuschließen. Was ziemlich frustrierend für uns Aktive ist. Die Windsurfindustrie klagt jährlich über sinkende oder zumindest stagnierende Verkaufszahlen. Daß Frauen eine neue und bisher noch größtenteils total vernachlässigte Zielgruppe sein könnten, will man aber nicht einsehen.  Bei einem gut 50-prozentigen weiblichem Bevölkerungsanteil, einer weit besseren Quote an Neueinsteigerinnen (als Einsteiger) in Surfschulen, mit Neil Pryde, der unterdessen mehr Neos an Frauen als an Männer verkauft, und der Konsumforschung, die bestätigt,  wer die Haushaltbudgets zumindest in Europa fest im Griff hat - ist für mich die Reaktion der Windsurfindustrie völlig unverständlich - männliche Logik. Aber wir lassen uns nicht so schnell kleinkriegen. Tatsache ist, daß wir genau soviel Spaß daran haben und wir deshalb in Zukunft ebenso wie bisher "stylen" werden, ob die Jungs das gut finden oder nicht. Uns geht's um den Spaß.

Ich wurde zu allen "men-only"-Events persönlich eingeladen.
Bloß öffentlich will keiner richtig dazu stehen und für uns Partei ergreifen.

? Was wollt Ihr gegen diese Benachteiligung unternehmen?

! Im WC etwas zu ändern ist sehr schwierig. Der Mangel an finanziellen Mitteln läßt die Jungs momentan unnachgiebig bleiben. Damit es in Zukunft anders wird, müssen wir uns professioneller organisieren (Image, Presse und auch eigenes Niveau). Ich bin überzeugt, daß wir da momentan auf dem richtigen Weg sind: viele neue und attraktive Gesichter, eine sehr gute Stimmung unter uns und für die gegebenen Umstände ist auch die Motivation sehr gut.
Es ist nicht einfach zu trainieren, wenn man gleichzeitig nicht die Chance zum Wettkampf erhält. Damit wir in Zukunft aber auch mitfahren dürfen, sind wir auch auf Hilfe von "außen" angewiesen. Zuschauer, Sponsoren, Organisatoren und Medien müssen von unserer Leistung und deren positiven Auswirkungen überzeugt werden. Das Interesse ist bereits heute vorhanden. Ich wurde zu allen "men-only"-Events persönlich eingeladen und mit Wildcards und etwas Antrittsgeld gelockt.
Bloß öffentlich will keiner richtig dazu stehen und für uns Partei ergreiffen.
 

? Was kann jemand machen, der mehr Frauen im Worldcup - und mehr Bewerbe mit Frauen - sehen möchte?

! Help us! Meldet euch, fragt nach (Medien, Wettkampforganisatoren, Sponsoren). Jede Unterstützung ist super hilfreich.

Fuerte 98: Karin gewinnt das Racing, Freestyle gab's nur für Männer

? Welche Moves trainierst Du zur Zeit, was ist Dein "Favorit"?

! Das werde ich nicht verraten! Ok - ganz ehrlich: voll konservativ. Nachdem ich eine Million mal reingefallen bin und drei Jahre mit dem Gedanken gespielt habe, damit aufzuhören, bin ich total stolzer "Master of the good old duck-tack"! Natürlich versuche ich auch alles andere; jumps, tacks, slides and jibes...

? Wo riggt eine Weltmeisterin am liebsten auf?

! Mir gefällt's da wo Wind ist - und den Rest nehmen wir wie's kommt. Allerdings meide ich die Spots mit zuviel Attitude und Leuten (Maui). Aktueller Favorit: Westaustralien.
 

? Surfer gelten ja als coole Jungs. Vieviel Prozent der Worldcupper sind waschechte Machos?

! 100 Prozent! Das ist die inoffizielle Disziplin des WC - aber sie sind nicht wirklich so. Eigentlich verstehen wir uns alle super - weit besser als in jeder anderen Sportart die ich kenne, und ich habe echt viele gute Freunde -  but: the show must go on!
 

? Haben die Girls auf der Tour auch männliche Groupies, die mehr als ein Autogramm wollen?

! Klar! Jede Menge!
 

? Habe die eine Chance bei Euch?

! So kann man das nicht sagen. Ich habe in fünf Profijahren unendlich viele Leute und Typen kennengelernt und auf allen fünf  Kontinenten gute Freunde gefunden, an die ich mich für den Rest des Lebens errinnern werde. Der erste Kontakt ist immer sehr schwer: sie kennen dich und du hast keine Ahnung. Deshalb: grundsätzlich offen und tolerant rangehen - wie ein echter Profi.

? Sei einmal ehrlich, das schmeichelt doch auch dem Ego?

! Ich bin immer ehrlich!!! Also schmeicheln schon, klar! Aber dabei bleibt's auch. Ich kann es ehrlich nicht ausstehen, bewundert zu werden. Starallüren habe ich wirklich keine. Akzeptiert zu sein, deine Leistung anerkennt zu bekommen und ernst genommen zu werden ist mir wichtig, aber unkritische Groupies  im Schlepptau - schrecklich!

? Hast Du eigentlich einen Freund oder bleibt dafür zuwenig Zeit?

! Beides! Viel zuwenig Zeit. Definitiv die Kehrseite der Medaille.
 

? Du bist ja ständig auf Achse. Wer sind Deine besten Freunde/Freundinnen auf der Tour?

! Meine besten Freunde sind leider nicht auf PWA-Tour. Aber durch ihre Windsurfzugehörigkeit natürlich doch auch mehr oder weniger mit mir unterwegs: Dave White, Ann Charlotte Andersson, Peter Slate,  aber auch meine WC Freunde: Peter Volwater, Jerome Bouldoires, viele der girls und
überhaupt der Rest der Familie.
 

? Welche Hobbies hast Du neben dem Windsurfen?

! Ich bin sicher der sportliche Typ - vom Snowboarden bis zum Wakeboard-Fahren. Daneben Interessiere ich mich für Kunst, lese viel und reise gerne - mal was anderes als nur Strände auszukundschaften.

Barbados 99: Die Weltmeisterin ist hungrig (Foto: PWA) ? Eine pathetische Frage: Was willst Du im Leben erreichen?

! Solche Fragen kannst du nicht einem hirnverbranten Weltenbummler stellen! Reichen Dir meine Titel nicht aus? Ich bin unabhängig, habe immer meinen eigenen Weg gewählt, mich gegen viele Widerstände durchgesetzt und dabei richtig Spaß gehabt. Wenn ich das auch in zwanzig Jahren noch behaupten kann, bin ich zufrieden.

? Was zaubert ein Lächeln auf Dein Gesicht, was macht Dich glücklich?

! Wenn andere glücklich sind, ein guter Tag auf dem Wasser, gesteckte Ziele erreichen, meine Familie und meine besten Freunde.
 

? Wer war Dein großes Vorbild, als Du mit dem Surfen begonnen hast?

! Das große Vorbild gab's eigentlich nie. Jessica Crisp hat mir aber am meisten imponiert und mich überzeugt - als Windsurfer und als Mensch. Heute kopiere ich das Beste von jedem: nobody is perfect.

Klar, wir haben jede Menge männliche Groupies

? Die Schweiz ist ja nicht gerade als Pozo-Alternative bekannt. Wie bist Du zum Surfen gekommen?

! Ich habe bei uns am Neuenburgersee - dem schönsten See Mitteleuropas - begonnen! Ich bin durch Freunde dazu gekommen. Das war vor zwölf Jahren.
 

? Was empfielst Du Girls, die gerade ernsthaft mit dem Funboardsurfen beginnen und die ganz nach oben kommen wollen?

! In einer Surfschule ist der Einstieg in den Sport viel einfacher und schneller zu meistern. Der Boyfriend, wie lieb und gut er auch sein mag, aber leider völlig ungeeignet. Nie aufgeben: aller Anfang ist schwer. Wenn's euch aber erst mal richtig gepackt hat, war es den ganzen Aufwand
mehr als wert. Auch wir "Profis" helfen immer gerne weiter. Ziert Euch nicht, uns einfach direkt anzusprechen!

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text: Andy Aichinger, photos: Aichinger, PWA/SSM; © windgirls 1999